Die Arbeit auf Abruf nimmt stark zu. Arbeit auf Abruf ist eine Form von prekärem Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmerin hält sich zur Verfügung des Arbeitgebers, im allgemeinen ausserhalb des Unternehmens, und ist bereit, auf Abruf eine Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu erbringen.
Einhaltung der zwingenden gesetzlichen Bestimmungen des Obligationenrechts
Das Bundesgericht hat im weiteren bestätigt (BGE 124 II 249 vom 6. Mai 1998, Leitentscheid; JdT 1999 I 275ff), dass das Gesetz die Arbeit auf Abruf zwar nicht verbietet, dass ein solcher Vertrag aber die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen des Obligationenrechts, namentlich die in Artikel 335c OR vorgesehenen minimalen Kündigungsfristen und die in Artikel 324 OR vorgesehenen Bestimmungen bezüglich Annahmeverzug des Arbeitgebers einhalten muss.
So hat eine Arbeitnehmerin bei einer Auflösung des Vertrags bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf Lohnfortzahlung, auch wenn ihr der Arbeitgeber keine Arbeit mehr anbietet (BGE 125 II 65ff vom 14. Dezember 1998). Dieser Lohn wird auf der Basis des Durchschnitts des über eine bestimmte Zeit erzielten angemessenen Einkommens berechnet. Dieser Lohn wird in der Regel wie der versicherte Verdienst von Arbeitslosen auf der Basis des Durchschnittslohns der letzten 12 Monate berechnet (bezüglich der Berechnung des Durchschnitts vgl. analog dazu Art. 37 Abs 1 bis 3 AVIV, Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung).
Diese Art von Vertrag gilt aus den folgenden Gründen als prekär:
- Er gewährleistet keine feste Arbeitsdauer oder nur eine Mindestdauer (wenige Stunden pro Woche).
- Der Arbeitgeber entscheidet einseitig und oft im letzten Moment, ob die Arbeitnehmerin zur Arbeit gerufen wird.
- Es gibt keinen garantierten Mindestlohn, weil nur die effektiv geleisteten Arbeitsstunden bezahlt werden; die Zahl dieser Arbeitsstunden kann von Monat zu Monat erheblich schwanken.
- Die Arbeitnehmerin muss sich dem Arbeitgeber zur Verfügung halten und bereit sein, die von ihr verlangte Arbeit zu leisten, da ihr sonst der Verlust ihrer Stelle droht.
- Ferien sind im Lohn inbegriffen und die Arbeitnehmerin erhält somit keinen Lohn, sobald sie Ferien bezieht.
- Die Arbeitnehmerin auf Abruf ist normalerweise nicht durch eine Erwerbslosenversicherung gedeckt, die der Arbeitgeber zur Deckung des Lohnausfalls bei unverschuldeter Verhinderung der Arbeitsleistung (Schwangerschaft) abgeschlossen hat. Sollte sie also schwanger werden, so ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, ihr den Lohn während der Zeit zu bezahlen, die im Obligationenrecht vorgesehen ist (Art. 324a OR).
Die Arbeit auf Abruf kann durch einen Gesamtarbeitsvertrag ausgeschlossen werden.
Entlöhnung der Wartezeit
Die Wartezeit muss − wenn keine andere Vereinbarung vorliegt − als Arbeitszeit entlöhnt werden, wenn die Arbeitnehmerin im Betrieb wartet.
Tut sie dies ausserhalb des Betriebs, zum Beispiel bei sich zu Hause, ist die Wartezeit ebenfalls einer Arbeitsleistung gleichzusetzen. Der Arbeitgeber hat jedoch an der Wartezeit der Arbeitnehmerin ein geringeres wirtschaftliches Interesse als an der von ihr verlangten Haupttätigkeit. Zudem kann die Arbeitnehmerin die Wartezeit nutzen, um etwas anderes zu tun. Aus diesem Grund muss die Wartezeit, wenn sie ausserhalb des Betriebs erfolgt, tiefer entlöhnt werden, als wenn der bzw. die Arbeitnehmer/in im Betrieb wartet. Das Bundesgericht äusserte sich nicht zur Höhe dieser Entschädigung. Es vertrat jedoch die Ansicht, dass der Arbeitgeber den Lohn bezahlen muss, der beispielsweise in einem GAV festgelegt oder üblich ist, falls vertraglich keine andere Entlöhnung der Wartezeit vorgesehen ist (Art. 322 Abs. 1 OR). Notfalls wird die Wartezeitentschädigung nach Billigkeit festgelegt. Ausserdem fügte das Bundesgericht hinzu, dass diese Entschädigung im Grundlohn enthalten sein kann, aber dass es aus Gründen der Klarheit zu bevorzugen wäre, wenn dieser Betrag ebenso wie die Ferienentschädigung separat ausgewiesen würde (BGE 124 II 249).
Gesetz zur Arbeit auf Abruf
Das Ziel der gesetzlichen Bestimmungen zur Arbeit auf Abruf besteht darin, die Gesundheit der Arbeitnehmer/innen ebenso wie ihre Privatsphäre zu schützen. Dazu gehören unter anderem die Bestimmungen zur maximalen wöchentlichen Arbeitszeit oder das grundsätzliche Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit, die für diese Art von Arbeit gelten. Der Arbeitgeber kann die Arbeitnehmenden demnach nicht einfach nach seinem Gutdünken zur Arbeit aufbieten, auch wenn es sich nur um einzelne Abende handelt.
Krankheit bei Arbeit auf Abruf
Wenn Arbeitnehmer/innen auf Abruf krankheitshalber arbeitsunfähig ist, dann werden sie gemäss dem abgeschlossenen Vertrag entlöhnt, wobei sie während der gesetzlich vorgesehenen Mindestdauer in jedem Fall Anrecht auf Lohnfortzahlung haben, das heisst also während 3 Wochen im 1. Dienstjahr, während 2 Monaten im 3. und 4. Dienstjahr usw. (Art. 324a OR). Voraussetzung dafür ist, dass das Arbeitsverhältnis mindestens 3 Monate gedauert hat oder für eine längere Dauer als 3 Monate eingegangen wurde. Andernfalls haben die betroffenen Arbeitnehmer/innen keinen Anspruch auf Lohnzahlung.
Ferien bei Arbeit auf Abruf
Die Entlöhnung von Arbeitnehmer/innen auf Abruf gründet auf den effektiv geleisteten Arbeitsstunden. Zusätzlich zum Stundenlohn und unabhängig dazu entrichtet der Arbeitgeber ihnen eine Ferienentschädigung, die 8,33 Prozent des Bruttolohns für 4 Wochen Ferien oder 10,64 Prozent für 5 Wochen Ferien entspricht.
Während ihrer Ferien erhalten Arbeitnehmer/innen auf Abruf keinen Lohn. In dieser Zeit beziehen sie also kein Einkommen. Sie sind daher darauf angewiesen, dass sie die monatlich oder wöchentlich ausbezahlte Ferienentschädigung sparen konnten, um auch in den Ferien über einen Verdienst zu verfügen.